Schizophrenie: "Die krankhafte Spaltung des Geistes..."

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Sigmund Freud gilt als Schöpfer einer neuen Wissenschaft: der Psychoanalyse. Freud war ursprünglich ein Neurochirurg, der sich am Anfang seiner Studien mit dem Nervensystem der Frösche beschäftigte. Zu einer Zeit, als die Ärzte noch glaubten, Neurosen oder Hysterie kämen nur bei Frauen vor - die man zu therapieren versuchte, indem man ihnen die Gebärmutter herausschnitt, obwohl das erwiesenermaßen schwachsinnig war und mann außerdem von Narkose und Infektionsrisken um 1885 noch so gut wie keine Ahnung hatte - kam Freud auf die wesentlich humanere Idee, die Probleme seiner Patientinnen durch Gespräche zu behandeln, die er mit ihnen führte, während sie auf einer bequemen Couch lagen. Freud kam zu dem Schluß, daß die Probleme seiner Patientinnen (später behandelte er auch neurotische Männer) aus sexuellen Konflikten in ihrer Kindheit herrührten, die diese vergessen ("verdrängt") hatten. Freud glaubte, seine Patientinnen müßten sich an diese verdrängten sexuellen Konflikte erinnern, um diese noch einmal nachzuerleben und sie so zu lösen - weil die Neurotikerinnen unbewußt von diesen Konflikten beeinflußt würden.

Freud wurde heftig kritisiert, weil er mit seinen Theorien das weitgehend tabuisierte Thema der Sexualität aufgriffen hatte. Freud entwickelte Theorien über die sexuelle Entwicklung des Kindes zu einer Zeit, als man nicht einmal im Traum daran dachte, daß auch Kinder so etwas wie Sexualität haben könnten. (Zu jenem Zeitpunkt herrschte das viktorianische Zeitalter in England, das für seine beispiellose Prüderie bekannt ist: Damals bewahrte man in den Bibliotheken sogar die Bücher männlicher und weiblicher Autoren getrennt auf!!!)

Ich persönlich muß allerdings sagen, daß Ich von Freud im besonderen, und von Psychoanalytikern im allgemeinen recht wenig halte. Woody Allen und Douglas Adams werfen den Psychoanalytikern vor, sie seien die Priester einer neuen Religion, die daraus hinausläuft, das Glück der "Patienten" von möglichst vielen gewinnbringenden Sitzungen abhängig zu machen, sie zu manipulieren und zu beeinflussen. Das sehe Ich genauso. "Trau deinem (Gehirn-)Mechaniker," meint Yello Biafra. Freuds Theorien über die kindliche Sexualität erscheinen Mir im hohen Maße von seinen eigenen sexuellen Lustphantasien durchsetzt - Ich meine, man sollte sich davor hüten seine eigenen krankhaften Phantasien in die Kinder hineinzuinterpretieren.

Grob gesagt lautet Freuds Theorie, daß der Mensch denkt, weil er einen "Psychischen Apparat" hat. Man merkt, daß wir uns jetzt im Maschinenzeitalter befinden - nun ist "der menschliche Geist" eine Maschine. Die Germanen glaubten, daß die Seele ein Gespenst ist, das aus dem Meer kommt (das Wort "Seele" kommt von germanisch: "See" d.h. Meer), und bei der Geburt in den Körper des Kindes schlüpft. Warum? Wie jeder Germane weiß, stirbt man, wenn man nicht atmet. Im Mutterleib kriegt das Kind keine Luft, deshalb kommt es tot zur Welt, und wird erst lebendig, wenn die Seele aus dem Meer kommt und in den Körper schlüpft - Ihn "beseelt", wie es so schön heißt. Deshalb kamen andere Völker auf die Idee, sich beim Gähnen die Hand vor den Mund zu halten, damit die Seele nicht verbotenerweise aus dem Körper entfleucht. Sie wären sonst tot umgefallen. (Nicht wegen der Ansteckungsgefahr, wie man heute meint.) Nebenbei bemerkt: Aristoteles meinte, daß die Seele im Herz wohnt, und daß das Gehirn nur ein Kühlkörper ist...

Die "Seelenmaschine", die unsere "Gedanken macht" besteht laut Freud aus drei Teilen: Dem Es, dem Ich und dem Über-Ich. Das Es ist der Körper (Gehirn und angeborene Treibe), das Ich ist der Geist (oder das Bewußtsein), der das Gehirn und den Körper beherrscht. Das Über-Ich ist die Stimme des Gewissens, eine innere Instanz, die in unserem Kopf über uns zu Gericht sitzt, und immer hübsch aufpaßt, daß wir den gesellschaftlichen Prinzipien von Recht und Moral treu bleiben, indem sie uns beständig zur Ordnung mahnt, und unserem Ich sagt, wo es langgeht...

Freud war später der Ansicht, daß Neurosen oder Hysterie beim männlichen Kind durch den sogenannten "Ödipuskonflikt" (benannt nach dem griechischen Drama "König Ödipus") entstehen: Das männliche Kinder verliebt sich angeblich im Alter von drei bis sechs Jahren in seine Mutter, und hegt daher eifersüchtige Mordgedanken gegen den Vater. Das Über-Ich, welches immer hübsch darauf aufpaßt, daß das Kind nichts Böses denkt, oder gar tut, bestraft es deshalb mit peinlichen Vorwürfen, wird überstreng, und quält es deshalb sein Leben lang mit ewigem Nörgeln und Kritisieren, so daß es nicht mehr froh wird.

Von feministisch denkenden Frauen wird Freud oft als frauenfeindlich bezeichnet - mit vollem Recht. Das muß man sich noch einmal klar vor Augen führen: Zuerst war man der Ansicht, daß nur Frauen neurotisch seien - die man deshalb bestialisch und unter Lebensgefahr verstümmelt hat. Dann kommt Freud und erklärt mit ewigem Wortschwall, wie die Neurose beim Mann entsteht - und läßt die Frauen völlig außer Acht. So ganz am Rande erfindet er dann noch den dazu passenden Komplex der Frau - und wenn wir schon bei griechischen Stories sind - muß der natürlich Elektrakomplex heißen.

Ich kenne Mich im Sumpf Freudscher Logik nur unzureichend aus - und Ich habe auch keine Lust Mich da weiter einzuarbeiten. Im Groben heißt es da, der Elektrakomplex sei gleich dem Ödipuskomplex - nur eben umgekehrt: Das Mädchen verliebt sich in den Vater und ist deshalb eifersüchtig gegen die Mutter. Doch um sich dem Vater zuzuwenden, muß sich das Mädchen erst von seiner anfänglichen Liebesbeziehung zur Mutter lösen und begreifen, daß es im Gegensatz zum Jungen keinen Schwanz hat - es empfindet "Penisneid", wobei es so nebenbei sein Geschlecht als minderwertig begreift. Gerade dieser Penisneid führt dann - laut Freud - zu schweren inneren Konflikten. Der Wunsch nach dem ersehnten Penis kann die Frau dazu drängen einen intellektuellen Beruf zu ergreifen - um ihren Penisneid auszugleichen...

Der Sexismus (=das rassistische Vorurteil, das Frauen weniger wert, dümmer etc. sind) des "Vaters der Psychoanalyse" ist nur einer der Punkte, der an Freud stört. Der weitaus schwerer wiegende Punkt ist der, daß Freud in seinem Denkmodell bei allen Menschen Schizophrenie voraussetzt - und die findet er ganz normal.

Die Basis meiner Kritik bildet das Kapitel "31. Vorlesung: Die Zerlegung der psychischen Persönlichkeit" aus dem Buch "Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse." (Freud hat die Kapitel dieses Buches zwar in Form einer Rede geschrieben, aber nie gehalten.) Die "Zerlegung der Seele", ist das Kapitel, in dem Freud den Gedanken des dreigeteilten "psychischen Apparats" entwickelt.

Zu Beginn meines Pädagogikstudiums wurde Ich in einem Einführungsseminar mit diesem Text konfrontiert. Dabei bin Ich über einen absurden Widerspruch in den Aussagen Freuds gestolpert. Freud redet in diesem Kapitel zunächst ganz allgemein über die Seele und meint sinngemäß: Wenn wir etwas über die Natur des ICHs erfahren wollen, dann müssen wir uns die Verrückten betrachten. An den rissigen und gesprungen Persönlichkeiten der Geisteskranken tritt die Natur des Menschen so richtig zu Tage, und er erklärt:

"Von einer Gruppe dieser Kranken sagen wir, sie leiden an Beobachtungswahn. Sie klagen uns, daß sie unausgesetzt und bis in ihr intimstes Tun von der Beobachtung unbekannter Mächte, wahrscheinlich doch Personen, belästigt werden, und hören halluzinatorisch, wie diese Personen die Ergebnisse ihrer Beobachtung verkünden: Jetzt will er das sagen, jetzt kleidet er sich an, um auszugehen usw. ."

In diesem Zitat spricht Freud von der Beobachtung und Belästigung durch unbekannte Mächte und Personen, deren Aussagen Halluzinationen sind, die die Kranken beeinflussen.

Ein paar Zeilen darunter schreibt er:

"Seitdem Ich unter dem starken Eindruck dieses Krankheitsbildes die Idee gefaßt hatte, daß die Sonderung einer beobachtenden Instanz vom übrigen Ich ein regelmäßiger Zug in der Struktur des Ichs sein könnte, hat sie Mich nicht mehr verlassen..." Hier meint Freud nun, daß der Wahn, von unbekannten Mächten beobachtet zu werden und ihre Stimmen zu hören, ganz normal sein könnte, und er beschreibt das bei sich selbst wie folgt:

"Oder Ich habe Mich von der übergroßen Lusterwartung bewegen lassen, etwas zu tun, wogegen die Stimme des Gewissens Einspruch erhob, und nach der Tat straft Mich mein Gewissen mit peinlichen Vorwürfen, läßt Mich die Reue ob der Tat empfinden. Ich könnte einfach sagen, die besondere Instanz die Ich im Ich zu unterscheiden beginne, ist das Gewissen, aber es ist vorsichtiger, diese Instanz selbständig zu halten und anzunehmen, das Gewissen sei eine ihrer Funktionen, und die Selbstbeobachtung, die als Voraussetzung für die richterliche Tätigkeit des Gewissens unentbehrlich ist, sei eine andere. Und da es zur Anerkennung einer gesonderten Existenz gehört, daß man dem Ding einen Namen gibt, will Ich diese Instanz im Ich von nun an als das "Über-Ich" bezeichnen."

In diesem Zitat spricht Freud nun von der IHN beobachtenden Instanz des "Über-Ichs", die als vorsichtig vom ICH gesonderte richterliche Existenz in seinem Kopf redet, und IHM wegen seiner übertriebenen Lusterwartungen peinliche Vorwürfe macht...

Freud hat in diesem Zusammenhang ausdrücklich betont, daß die "Stimme des Gewissens", von der er die "Instanz des Über-Ichs" herleitet (er tauft sie einfach um), für ihn nicht nur eine gebräuchliche Redewendung, sondern eine tatsächlich vorhandene Stimme ist, die im Gehirn jedes Menschen mit dem "Ich" spricht: "Jetzt bin Ich darauf gefaßt, daß sie Mich höhnisch fragen, ob unsere Ichpsychologie überhaupt daraus hinausläuft, gebräuchliche Abstraktionen wörtlich zu nehmen und zu vergröbern, sie aus Begriffen in Dinge zu verwandeln, womit nicht viel gewonnen wäre. Ich antworte, es wird schwer halten, in der Ichpsychologie dem Allbekannten auszuweichen, es wird mehr auf neue Auffassungen und Anordnungen ankommen, als auf Neuentdeckungen."

Ich fasse das Gesagte noch einmal zusammen: Zuerst bezeichnet Freud die Stimmen, die die Schizophrenen hören als "Halluzinationen"; dann spricht er von der "Stimme des Gewissens", die er "Über-Ich" umtauft, und die dann plötzlich keine "Halluzination", sondern ein völlig normaler Bestandteil des "Psychischen Apparats" ist, den Freud "im Ich" (das Ich ist das Personalpronomen) erforscht...

Indem Freud die Instanz des Über-Ichs (die "Stimme des Gewissens") als Bestandteil des Denkens aller Menschen voraussetzt, sagt er damit nichts anderes, als daß wir alle schizophren sind. Denn was ist eine wörtlich genommene "Stimme des Gewissens" - auch wenn sie alle hören - anderes, als eine "Stimme, die das eigene Tun mit Bemerkungen begleitet" - ein SYMPTOM DER SCHIZOPHRENIE ERSTEN RANGES...

Im nächsten Zitat, ein paar Zeilen weiter, setzt Freud dann noch einen oben drauf: "An diesem Leiden [Melancholie], von dessen Verursachung und Mechanismus wir viel zuwenig wissen, ist der auffälligste Zug die Art, wie das Über-Ich - sagen sie nur im Stillen: das Gewissen - das Ich behandelt." Hier fordert Freud seine Leser zuguterletzt auf, in ihrem Kopf zu sich selbst zu reden, und sich dabei auch weiterhin zu sagen, daß die Stimme, mit der sie sich selbst Vorwürfe machen, ihr Gewissen sei...

Es ist für Mich ganz gleich, ob Leute, die Selbstgespräche führen, behaupten, daß die Stimme mit der sie in ihrem Kopf reden, vom Mond, aus der Wand, von den Geistern ihrer Ahnen, von Gott, Vernunft oder Gewissen oder der beobachtenden, richtenden "Instanz des Über-Ichs" stammt - Ich "diagnostiziere" immer dasselbe:

ICH "DIAGNOSTIZIERE" SCHIZOPHRENIE!!!

Lieber Freu(n)d - Du weißt nicht mehr was du sagst. Noch schlimmer: Du weißt noch nicht einmal mehr, wer es sagt.

Als Ich diese Vorlesung das erste Mal las, dachte Ich:

"Ich glaube nicht, daß ein Teil meines Gehirns einem anderen Teil meines Gehirn etwas verbal mitzuteilen hat. Das Denken funktioniert nicht so. Ich habe Mir nichts zu sagen. Ich muß die Stimme des Über-Ichs, die das Verhalten meiner Mitmenschen beeinflußt, abschalten."

Wir haben ein Gedächtnis für Zahlen und Zeichen. Wir können Uns Reihen von Zahlen, Abfolgen von Wörtern oder nur deren Inhalt merken. So lernen Wir in der Schule: Wir plappern phonetisch alles nach...

Der Herr sagt: Du darfst die Äpfel von dem Baum nicht essen. Und der Sklave sagt sich: "Ich darf sie nicht essen." Das ist das "Über-Ich".

Würde er sich das nicht sagen, wüßte er natürlich trotzdem, daß es ihm der Größenwahnsinnige (der noch ein paar brutale Helfershelfer hat, die er sich dazu selbst hat abrichten lassen) verboten hat. Aber er täte es trotzdem, denn er spürt einen inneren Widerstand gegen seine Bestimmung.

Trotz der Schergen ist dieser innere Widerstand die alles entscheidende Machtfrage.

Gelingt es nicht, den inneren Widerstand dauerhaft bei der Masse zu brechen, kippt das Herrschaftssystem in die Anarchie um. Wie ein Schornstein, dem man seine untersten Ziegelsteine herausklopft. Selbst mit blankem Terror ist eine Herrschaft gegen den erklärten Willen der Masse nicht zu halten. Das schafft man nur, wenn man sie gezielt verrückt macht. Den Willen des Einzelnen mag man durch langes Eingesperrtsein oder sonstige Folter brechen. Gegen das Bewußtsein der Masse ist der Machtwahn machtlos.

Wenn die Masse ein solches Bewußtsein hätte. Doch das ist ein Traum. Die Menschen heute sind das Produkt von Jahrtausenden, in denen gerädert, gehängt, erschossen, eingesperrt und vergewaltigt wurde. Dazu wurde und wird durch die Religionen und Schulen der Sklavensinn untermauert. In dieses Leben der Entfremdung, in eine Gesellschaft der Fremdbestimmung, Gewalt, Entfremdung und Angst, wirst Du hineingeboren.

Ist es möglich die Entfremdung, den Mechanismus der Angst und Selbstverleugnung zu durchbrechen? Ich meine - Ja. Und Wir haben eine Chance bei diesem Prozeß der Befreiung dabei zu sein. Wie? Vor allem durch Kommunikation!

Im Hörsaal

"In

diesem Teil

des

Organs

befindet sich der Geist des Menschen",

sagte der alternde Gehirnchirurg

und wies ehrfurchtsvoll zitternd

auf das Sprachzentrum.

Seine Gehirnwindungen durchdrang ein

leises Kichern...

Totenstille erfüllte den Raum.

Gebannt starrten die Studenten auf das Präparat

in den bebenden Händen des Meisters.

Nicht einmal die Sitzbänke wagten es wie sonst

zu ächzen.

Auch sie waren von einem seltsamen ERNST

ergriffen...

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